Totenschild für Ulrich Gottfried von Mordeisen
1676
Holz, farbig gefasst, partiell vergoldet
H 146 x B 110
Inv. Nr. V1424G
Die Bestattungskultur unterliegt seit jeher kulturellen, regionalen und epochalen Unterschieden. Seit dem 12. Jahrhundert gibt es den Brauch, Rittern ihren Gebrauchsschild zum Gedenken auf das Grab zu legen bzw. darüber aufzuhängen. Später wurden Schildnachbildungen aus Holz mit Wappen und Bemalung in der Kirche aufgehangen. Aus diesen entsteht der Totenschild als Gedenktafel für eine männliche Person des Adels oder des ratsfähigen Bürgertums. Durch ihre heraldischen Formen, Wappen und Inschrift, erinnern sie sehr repräsentativ an den Verstorbenen.
Ausgehend von einfachen flachen Holzscheiben in der Zeit der Spätgotik und Renaissance werden die Schilde immer aufwändiger mit Malereien und Schnitzwerk gestaltet. Aus einer einfachen Wappenabbildung wird ein Vollwappen mit Helm, Helmdecke und Helmzier. Aus flachen Holzschilden werden im Barock vollplastische, prunkvolle Schilde. In dieser Blütezeit der Totenschilde lässt das Wappen im Zentrum Platz für eine einzeilige Inschrift mit Namen, Todesdatum und Hinweisen über die soziale Stellung des Verstorbenen. Die Bedeutung des Wappenträgers wird zunehmend dadurch erhöht, dass der Rahmen variationsreich und der Wappenschild mit Bändern, Rollwerk und allegorischen Figuren geschmückt wird. Einen Totenschild in der Kirche aufhängen zu dürfen, ist ein Privileg, dass man sich leisten können muss. Denn sowohl die Herstellung, als auch die Zuwendung an die Kirche für die Hängung ist kostspielig. Daher bleibt es lange dem Adel vorbehalten, bis auch später Bürger, Patrizier und Mitglieder von Ritterorden das Recht wahrnehmen konnten. Trotz der hohen Kosten, entscheidet man sich für dieses Privileg, um die eigene herausgehobene gesellschaftliche Stellung zu demonstrieren. Frauen erhalten keine Totenschilde.
Durch den Totenschild gedenkt man des Verstorbenen. Er behält weiterhin seinen sichtbaren Platz in der Gemeinschaft und Gesellschaft und erfährt Achtung für seine Tätigkeit in derselben. Es zeigt auch den Stolz der Person für seinen Fleiß, Einsatz und Vermögen, dass zum Wohl der Kirche und der Stadt beigetragen hat.
Der ausgewählte Totenschild wurde 1676 für Ulrich Gottfried von Mordeisen (1620 – 17.08.1676) angefertigt. Er zeigt oben und an den Seiten vergoldetes Blattwerk, welches gemeinsam mit einer vergoldeten Abschlussborte im unteren Bereich wie ein Vorhang anmutet. Oben halten zwei geflügelte Putti den leicht ovalen Wappenschild, der durch einen dunkelgrünen Blätterkranz eingerahmt wird. Zwischen ihnen weht ein Spruchband auf dem in goldener Schrift der Name des Verstorbenen, in der auch genutzten Schreibweise „Mordeysen“, steht. Dargestellt ist ein (schwebender) in der Heraldik früher als „Mohr“ bezeichneter halber Schwarzer Mensch, mit einem roten Stirnband und einer Stange in der linken Hand, das Ganze auf goldenem Grund. Die Rechte ist in die Hüfte gestützt. Die Helmzier besteht aus einem gekrönten Helm mit der Schildfigur. Darunter liegt als Vanitassymbol auf einer auf der Seite liegenden Sanduhr ein vollplastischer Totenschädel ohne Unterkiefer mit zwei gekreuzten Knochen im Hintergrund.
Der Ursprung des Wappens dieser kursächsischen Familie ist unklar. Allerdings wird es 1487 an Hans d. Jüngeren und Lorenz Mordeisen durch Friedrich III. nachvollziehbar verliehen. Wieso diese Darstellung gewählt wird, lässt sich nicht mehr in Erfahrung bringen. Die Figur wird häufig mit dem Heiligen Mauritius in Verbindung gebracht, allerdings nur, wenn die Heiligensage mit der Familie in Verbindung gebracht werden kann, was hier nicht der Fall ist. Eine weitere Theorie ist die Ableitung durch den Namen. Diese Figuren werden häufig bei Familien vergeben, die das „Mor“ im Namen tragen. In Siebmachers großem, allgemeinem Wappenbuch von 1907 ist das Wappen enthalten und beschrieben.
Ulrich Gottfried Mordeisen übernimmt ca. 1652 das Erbe Dornreichenbach mit dem zugehörigen Schloss und Ort. Dieser liegt seit dem Ende des 30jährigen Krieges in Trümmern. Es ist Ulrich Mordeisen zu verdanken, dass Schloss und Ort ab 1653 wieder errichtet werden. Die 60 Einwohner sollen ein enges Verhältnis zu ihrem Herrn gepflegt haben, dem gute Haushaltsführung, ein großes Gerechtigkeitsempfinden und Hilfsbereitschaft nachgesagt werden. Seine Leichenpredigt enthält zahlreiche Lobpreisungen seines Charakters. Auch seine sehr glückliche Ehe, geschlossen am 27. Dezember 1647 mit Maria Elisabeth Pistorius wird regelmäßig erwähnt. Von den drei Kindern, Tochter Anna Elisabeth und die Söhne Ulrich Willhelm und Christoph Rudolph, erreichen die beiden älteren das Erwachsenenalter. Ulrich Gottfried Mordeisen stirbt 1676 im Alter von 56 Jahren nach zweiwöchiger Krankheit.
Der Totenschild gehört seit mindestens 1978 zur Sammlung des Kulturhistorischen Museums. Er wird im Foyer des Museums dauerhaft ausgestellt und 2022 restauriert. Auch der Totenschild für seinen Sohn Christoph Rudolph (1673) befindet sich in der Ausstellung. Beide Schilde kamen aus der Kirche Dornreichenbach in die Museumssammlung.
Literatur
P. Hempel, Der von der Welt abgesonderte ... Liebhaber, an dem Exempel des ... Ulrich Gottfrieds von MordEisen ..., bey desselben ... Leichen-Gepränge am 17. Septembr. ... 1676, Torgau 1677. https://digital.slub-dresden.de/werkansicht/dlf/82814/33
B. Peter, Totenschilde in Kirchen [www.welt-der-wappen.de, Online-Ressource]
J. Siebmacher's grosses und allgemeines Wappenbuch, Bd. 6, Abt. 12, bearb. von G. Mülverstedt, Nürnberg 1907, S. 66, Tafel 51. https://gdz.sub.uni-goettingen.de/id/PPN830277986